Offener Brief an das Land Kärnten und den Naturschutzbeirat
Geschätzte Mitglieder des Naturschutzbeirates,
geschätzte Landesrätin für Umwelt, Energie und Naturschutz,
ich übermittle Ihnen dieses Schreiben, um meine großen Bedenken in Bezug auf das Projekt „ALPLOG Nord“ (in den letzten medialen Aussendungen als „LCAS-Nord“ bezeichnet) zum Ausdruck zu bringen. Meine Bedenken werden im beiliegenden Anhang des Mails geschildert.
Mit diesem Schreiben ersuche ich Sie auch im Namen der Bürger:innen-Initiative „Rett’ ma die Schütt“ dringend darum, das Projekt sowie die maßgeblichen Auswirkungen auf den einzigartigen Naturraum des Bergsturzgebietes Schütt (Dobratsch), genau unter die Lupe zu nehmen und in weiterer Folge das Vorhaben auf der Tagesordnung der Sitzungen des Naturschutzbeirates zu behandeln.
Wir wenden uns auch an Sie mit der Bitte, von den Projektwerber:innen eine ausführliche Bestandserhebung des zu verbauenden Areals im Sinne der Kärntner Artenschutzverordnung einzufordern, die vor allem auch die Populationen der wirbellosen Tiere und das Vorkommen endemischer Arten berücksichtigt.
Sollten sich Fragen zu meinen Ausführungen ergeben, bin ich gerne per Mail an vanessa@rettmadieschuett.info oder telefonisch unter +43664 750 151 09 erreichbar.
Ich würde mich über eine persönliche Kontaktaufnahme freuen und hoffe auf reges Interesse und Unterstützung!
Mit der Bitte um Bestätigung bei Erhalt dieses Mails verbleibe ich mit den besten Grüßen aus Villach,
Mag. Vanessa Rainer
Zum Projekt ALPLOG Nord
ALPLOG Nord bezeichnet ein Transport- und Logistikzentrum, dass direkt angrenzend an die beiden Natura2000-Gebiete „Schütt-Graschelitzen“ und „Villacher Alpe (Dobratsch) errichtet werden soll.
Die Fläche, die dafür vorgesehen ist, befindet sich in der Kastralgemeinde Federaun in Villach und beinhaltet die Grundstücke mit den Nummern: KG Federaun 75411 – 318/1, 327/1, 327/9, 329/ 332/2, 339, 345/1, 346/2, 347/2, 351/2, 352, 355, 356/3,357/3, 359/3, 360/3, 363/2, 377/3, 460/3, 462 und 611.
Das gesamte Ausmaß dieser Flächen beträgt mindestens 24 Hektar – die erwartete, zu verbauuende Fläche beträgt ein Mindestmaß von 19 Hektar. Die genauen Zahlen sind mir leider nicht bekannt bzw. sind sehr schwer nachvollziehbar, denn in diversen Artikeln und Aussendungen wird auch ein Ausmaß von mehr als 40 Hektar genannt, wie zB in diesem Artikel der Kleinen Zeitung: https://www.kleinezeitung.at/kaernten/villach/aktuelles_villach/6068889/FuernitzFederaun_Weitere-Gruenflaechen-fuer-Logistikcenter-in-der
Die folgende Darstellung zeigt das zu verbauende Areal mit den oben genannten Grundstücksnummern und die Nähe zu den angrenzenden Natura2000-Gebieten. Das Areal ALPLOG Nord wird lediglich durch die L30-Schütter-Landesstraße von den Europaschutzgebieten getrennt.
Das gesamte Areal für den Bau von ALPLOG Nord war bis 2005 als Landschaftschutzgebiet ausgewiesen. Dem Örtlichen Entwicklungskonzept aus dem Jahr 2002 - das bis 2008 gültig war - ist folgende Beschreibung zur Entwicklung der Kastralgemeinden Schütt und Federaun zu entnehmen: „Aufgrund der bestehenden Landschaftsschutz- und Naturschutzgebiete sind große Siedlungserweiterungen in diesen Zonen nicht möglich.“
Mit dem Bau eines Transport- und Logistikzentrums gehen logischerweise sehr maßgebliche und einschneidende Veränderungen der Lebensräume und des Biodiversitäts-Hotspots Schütt einher. Diese Veränderungen werden durch viele Faktoren – wie etwa den steigenden Verkehr, die steigende Lärmbelastung, die steigende Lichtverschmutzung, die Verbauung und Zerstörung von Lebensräumen und die fortschreitende Bodenversiegelung – bedingt, und haben dadurch auch erhebliche Auswirkungen auf ausgewiesene Schutzgüter in den Natura2000-Gebieten sowie auch auf Schutzgüter, die nicht europaweit, aber in der Anlage I der Kärntner Tierartenschutzverordnung gelistet sind.
Gefährdete Schutzgüter und mangelnde Datenerhebung im Bereich des Areals ALPLOG Nord
Es liegen keine aktuellen naturschutzfachlichen Gutachten vor. Eine Bestands-Analyse der im Entwicklungsareal vorkommenden Lebensraumtypen und Tierarten hat nur im Rahmen der Naturverträglichkeitsprüfung von 2006 stattgefunden.
In der NVP 2006 wird angegeben, dass in den südöstlichen Bereich des Areals drei Restbiotope an bedeutsamen Lebensraumtypen – darunter zwei prioritäre - durch den Bau der Zufahrtsstraße zerstört werden sollen. Dabei handelt es sich um die Lebensraumtypen: „Schlucht- und Hangmischwälder“, „Auwenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior“ und „Hartholzauen mit Quercus robur, Ulmus laevis, Fraxinus excelsior oder Fraxinus angustifolia“
Vom Bau des Transport- und Logistikzentrums ist auch der Neuntöter-Bestand (Brut von zwei Paaren, Stand 2006) sowie der Uhu-Bestand bedroht. Durch den Bau soll der Lebensraum des Neuntöters sowie das bevorzugte Jagdrevier des Uhus verschwinden. Auch das Vorkommen weiterer Vogelarten direkt am betroffenen Areal – wie die Waldohreule und der Flussuferläufer - sind wahrscheinlich.
Die Amphibien-Vorkommen im Areal ALPLOG Nord wurden mit lediglich 6 Planbearbeitungsstunden kartiert. Die weitere Auswertung bezieht sich auf Literaturrecherche. Das Vorkommen der geschützten Smaragdeidechse und vielen anderen (Blindschleichen, Mauereidechsen, Springfröschen) wurde bei der Kartierung festgestellt. Viele weitere Amphibien- und Reptilienbestände (Gelbbauchunken, Feuersalamander, Äskulapnattern, etc.) werden vermutet. Unter anderem ist auch das Vorkommen von Hornottern sehr wahrscheinlich.
Alle weiteren Tiergruppen sind in der NVP 2006 als „Sonstige Tiergrupen“ angegeben. Diese wurden nicht mit freilandökologischen Methoden kartiert, es erfolgte eine Literaturauswertung. Zu den Sonstigen Tiergruppen gehören demnach die Säugetiere sowie alle wirbellosen Tiere. Das Vorkommen vieler Fledermausarten im ALPLOG Nord - unter anderem die Große und die Kleine Hufeisennase - sind sehr wahrscheinlich.
Durch die Nähe des Entwicklungsareals zu den Natura2000-Gebieten „Schütt-Graschelitzen“ und „Villacher Alpe (Dobratsch)“, die zu den einzigartigen Biodiversitäts-Hotspots Kärntens zählen, ist anzunehmen, dass sich auch auf der von Verbauung bedrohten Grünfläche Populationen endemischer und geschützter Arten befinden.
Es ist also damit zu rechnen, dass das geplante Transport- und Logistikzentrum nicht nur eine FERNWIRKUNG auf die Natura2000-Gebiete und deren Schutzgüter - die nach FFH- und Vogelschutzrichtlinie ausgewiesen sind - hat, sondern auch eine DIREKTE Zerstörung von Schutzgütern, die vor allem durch die Tierartenschutzverordnung des Kärntner Naturschutzgesetzes definiert sind, zu erwarten ist.
Daher ist eine genaue Kartierung aller Tierarten, die in der Anlage I der Kärntner Tierartenschutzverordnung gelistet sind, notwendig und unbedingt durchzuführen, um den Fortbestand der besonderen Diversität der Bergsturzlandschaft Schütt langfristig zu gewährleisten.
Zur Vorgehensweise bei der Umsetzung des Projekts
Die Umsetzung des Projekts stützt sich nach wie vor auf eine Naturverträglichkeitsprüfung, die nun beinahe 16 Jahre alt ist. Unserer Information nach ist eine neue Naturverträglichkeitsprüfung in Bearbeitung – diese liegt aber bisher nicht in der Abteilung „Natur- und Umweltschutz“ der Stadt Villach auf. Dennoch schreitet das Projekt voran, ohne dass dafür aktuelle fachliche Beurteilungen vorliegen.
Nach wie vor liegen auch keine konkreten und aktuellen Projektpläne zur Errichtung des Transport- und Logistikzentrums ALPLOG Nord vor. Die Naturverträglichkeitsprüfung von 2006 und die Strategische Umweltprüfung von 2017 beziehen sich auf ein Virtuelles Projekt, das 2006 erstellt wurde.
Hier finden Sie die Dateien
- zur Strategischen Umweltprüfung 2017 (https://rettmadieschuett.info/wp-content/uploads/2021/12/Strategische-Umweltpruefung-ALPLOG-Nord.pdf)
- zur NVP 2006 (https://rettmadieschuett.info/wp-content/uploads/2021/12/Naturvertraeglichkeitspruefung-ALPLOG-Nord.pdf)
- und dem Virtuellen Projekt von 2006 (https://rettmadieschuett.info/wp-content/uploads/2021/12/Virtuelles-Projekt.pdf)
Obwohl weder konkrete Projektpläne, noch eine aktuelle Naturverträglichkeitsprüfung vorliegen, hat die Stadt Villach in der letzten Gemeinderatssitzung am Freitag, den 03.12.2021 (außer den Stimmen von Verantwortung Erde und der Grünen Villach) beschlossen, mit der DLH Real Estate – einer Deutschen Immobiliengesellschaft, die Transport- und Logistikzentren baut – einen Vorverkaufsvertrag abzuschließen. Über diesen Link gelangen Sie zum Amtsvortrag „Grundverkauf aus dem Privatgrund der Stadt Villach – Vereinbarung mit der DLH Real Estate Austria GmbH“: https://rettmadieschuett.info/wp-content/uploads/2021/12/011_TOP-12-Grundverkauf-DLH-Real-Estate-Austria-GmbH.pdf
Trotz fehlender Projektpläne und nicht vorliegenden aktuellen naturschutzfachlichen Gutachten, arbeitet die Stadt Villach auch an der Umsetzung der erforderlichen Hochwasserschutzmaßnahmen, um das Areal für den Bau von ALPLOG Nord zu erschließen. Die öffentliche Ausschreibung ist unter anderem auf dieser Website einzusehen: https://offenevergaben.at/auftr%C3%A4ge/81757
Durch die Hochwasserschutzmaßnahmen werden vermutlich große Teile des Areals für die Schaffung eines Retentionsbeckens aufgeschüttet, wodurch natürliche Lebensräume sowie kleine Auwald-Bestände entlang der Gail verloren gehen würden.
Das Projekt wird in diversen medialen Aussendungen als besonders „grün“ dargestellt. Dazu gehört die Argumentation, dass 25% der Fläche als Grünanteil erhalten bleiben sollen und dass durch die Erweiterung des bereits bestehenden Logistikzentrums in Fürnitz, vor allem die Verlagerung von internationalen Waren vom LKW auf die Schiene forciert werden soll. In keinem der veröffentlichten Pläne und Aussendungen wurde jemals ein Schienenverlauf eingezeichnet oder erklärt, wo sich dieser im Areal ALPLOG Nord befinden soll. Zudem ist uns bekannt, dass im ersten Teilabschnitt des Projekts bereits 34 LKW-Dockingstationen und 137 PKW-Parkplätze geplant sind. Es ist davon auszugehen, dass im Areal NORD, vor allem LKW-Verkehr zu erwarten wäre.
Der geplante Standort in Schütt/Federaun soll als Warenumschlagplatz für die Chinesische Seidenstraße errichtet werden, obwohl diverse Berichte in den Medien festhalten, dass das südliche Areal in Fürnitz, das bereits vorhanden ist, nicht annähernd ausgelastet ist. Die Kleine Zeitung berichtete zB. Hier von einer Auslastung von lediglich 40%: https://www.kleinezeitung.at/wirtschaft/5702202/Logistik_Umschlag-in-Fuernitz-nur-zu-40-Prozent-ausgelastet